Ladenschliessungen treffen den Detailhandel hart: Inwieweit wird die Branche aufholen können?
In der Schweiz müssen ab Montag erneut viele Geschäfte schliessen. Anders als im Frühling bleiben aber etwa Baumärkte und Blumenläden offen – und bei den Grossverteilern sind mehr Produkte zugänglich.
Es ist ein erneuter Schlag für den Non-Food-Detailhandel: Ab Montag werden Läden, die Artikel des nicht täglichen Bedarfs anbieten, bis voraussichtlich Ende Februar schliessen müssen. Neben Lebensmittelläden können unter anderem Baumärkte und Gartencenter, Eisenwarengeschäfte, Floristen, Telekomfilialen, Drogerien, Wäschereien, Schuhmacher oder Fahrradgeschäfte weiterhin Kunden empfangen. Möglich ist auch, die Produkte zu bestellen und vor Ort abzuholen. Zudem können Güter des täglichen Bedarfs wieder nach 19 Uhr sowie sonntags verkauft werden.
Dieses Mal dürfen die Ladengeschäfte mehr Non-Food-Produkte verkaufen als im vergangenen Frühjahr. Weiterhin in den Regalen stehen unter anderem Koch- und Essgeschirr, elektrotechnisches Zubehör, Strumpfwaren oder Produkte zur Tierhaltung. Im letzten Jahr waren etwa auch Baumärkte, Gartencenter oder Blumenläden von den Schliessungen betroffen gewesen.
Damals hatte die Frage, welche Produkte weiterhin verkauft werden dürfen, zu einem heftigen Streit zwischen den Grossverteilern und dem Gewerbe geführt. Auch im Kanton Solothurn, wo die Non-Food-Läden bereits geschlossen sind, sorgt etwa für Unverständnis, dass Babykleider verkauft werden dürfen, Kinderkleidung aber nicht. Auch schweizweit dürfte die neue Produkteliste für weitere Diskussionen sorgen.
Kleine Geschäfte betroffen
Dem Non-Food-Detailhandel entgehen laut Branchenschätzungen in den nächsten sechs Wochen Einnahmen in der Höhe von über 3,5 Milliarden Franken. Während allerdings die Grossverteiler Migros und Coop dank dem noch zulässigen Non-Food-Angebot tendenziell mit steigenden Kundenfrequenzen rechnen dürfen, trifft die Massnahme vor allem kleinere Läden stark, die kein Online-Geschäft betreiben und damit die Umsatzverluste nicht abfedern können. Dazu zählen unter anderem Möbelgeschäfte, Sportfachgeschäfte oder Buchhändler.
Immerhin können die Läden auf Härtefallhilfen zählen. Der Bundesrat hat entschieden, dass es sich bei geschlossenen Geschäften automatisch um Härtefälle handelt. Laut Dagmar Jenni, Geschäftsführerin des Verbands Swiss Retail Federation, ist derzeit jedoch unklar, ob diese Hilfen genügen werden, um die massgeblichen Fixkosten anteilmässig zu decken. Denn für die Detailhändler fallen nicht nur fixe Kosten für Miete, Energie usw. ins Gewicht, sondern auch jene für die Lagerung bestellter Ware, die wegen der Ladenschliessungen nicht oder später nur mit einem hohen Rabatt verkauft werden kann.
Modehandel unter Druck
Besonders unter Druck ist der Modehandel. Modegeschäfte dürften auch dieses Mal am meisten betroffen sein. Erstens ist das Geschäft weitgehend saisonal, zweitens kaufen die Konsumenten weniger Kleidung ein, wenn sie diese nicht tragen können, und drittens profitiert der Online-Händler Zalando stark davon, wenn mehr im Internet bestellt wird. Im vergangenen Jahr hat der Bereich Bekleidung und Schuhe denn auch einen deutlichen Einbruch von 15 Prozent verbucht.
Andere Segmente im Non-Food-Detailhandel haben jedoch die Einbussen im März und April in den nachfolgenden Monaten wieder wettmachen können. Unter dem Strich haben im vergangenen Jahr etwa die Kategorien Personal Care, Haushalt und Wohnen, Heimelektronik, Do it yourself und Gartenzubehör mehr Umsatz erzielt.
Ab Mitte Mai hat der Nachholkonsum den Detailhandel gestützt. Laut Berechnungen der Credit Suisse (CS) haben Schweizerinnen und Schweizer während des Lockdowns im Frühjahr rund 8 Milliarden Franken gespart und danach rund zwei Drittel davon wieder ausgegeben.
Graben im Detailhandel
Dass die Detailhändler auch dieses Mal die Umsätze in diesem Mass werden aufholen können, ist allerdings weniger wahrscheinlich. Laut der CS-Ökonomin Tiziana Hunziker haben die Detaillisten im vergangenen Jahr nach dem Lockdown auch davon profitiert, dass Schweizerinnen und Schweizer deutlich mehr Ferien im Heimatland verbracht haben. Da die Reisetätigkeit mit Fortschritten bei den Impfungen wieder zunehmen dürfte, rechnet sie daher nicht mehr mit einer so raschen Erholung. Mit den jüngsten Massnahmen des Bundesrats dürfte sich zudem der Graben zwischen dem Lebensmittel- und dem Non-Food-Handel weiter vertiefen.
Mehr von NZZ
-
Cheplapharm Arzneimittel erwägt IPO - Wert bis zu 8 Mrd. Euro +++ Chinas Exporte machen Sprung um 60 Prozent – und weitere Wirtschaftsmeldungen
Neue Zürcher Zeitung
-
Kriegsheldinnen, Männerersatz und viele Blumen – Vietnam hat gleich zwei Frauentage
Neue Zürcher Zeitung
-
Runde zwei für die UBS in Paris
Neue Zürcher Zeitung