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Insekten in Lebensmitteln: Die Akzeptanz ist gering

FR-Logo FR 28.01.2023 Manfred Niekisch
Frittierte Grillen. Ob die mit den Dschungelcamp-Episoden von RTL verbundenen Verdummungseffekte und Ekelbotschaften zur Diskreditierung von essbarem Krabbelzeug beitragen? © Chris Humphrey/dpa Frittierte Grillen. Ob die mit den Dschungelcamp-Episoden von RTL verbundenen Verdummungseffekte und Ekelbotschaften zur Diskreditierung von essbarem Krabbelzeug beitragen?

Insekten in Lebensmitteln: Die Akzeptanz ist gering

Insektennahrung ist in der EU neuartig. Die Akzeptanz dafür ist gering. Aber warum eigentlich? Die Kolumne von Manfred Niekisch.

Läuseblut zu trinken stört nur wenige. Denn die meisten wissen gar nicht, dass so manches leckere Getränk damit tiefrot gefärbt wird. Aber auch in anderen Lebensmitteln ist es enthalten. Ein Gräuel für Veganerinnen und Veganer, wenn sie es denn wissen.

Doch auch nicht-vegane Tierfreundinnen und Tierfreunde können sich davon abgestoßen fühlen, denn der rote Farbstoff Karmin wird aus zerriebenen Weibchen der Schildlaus gewonnen. Und noch dazu aus trächtigen Weibchen. Auch Teppiche werden damit gefärbt. Eine andere Schildlausart liefert in ihrem Kot Schellack, mit dem Schokolade, Nüsse und andere Lebensmittel auf Hochglanz poliert werden. Dass es zudem in Möbelpolitur verwendet wird, kann Genusssüchtigen egal sein. Mit den Kürzeln E 904 oder E 120 sind diese Stoffe im Kleingedruckten der Lebensmittel-Etiketten verzeichnet und erregen, so deklariert, kaum Ekel.

Insekten enthalten essenzielle Aminosäuren und wichtige Spurenelemente

Das schöne Rot des Hummers ist anderen Ursprungs. Es entsteht, wenn man das lebende Tier, ganz legal, in kochendes Wasser wirft. Angesichts all dessen muss doch verwundern, mit welch hohem Nachrichtenwert jetzt verbreitet wird, dass die EU soeben Heimchen als Lebensmittel für den Menschen zugelassen hat. Diese Grillen gesellen sich damit zu Mehlwürmern und Heuschrecken, deren Verzehr bei uns schon länger genehmigt ist.

Ernährungsphysiologisch sind diese neuartigen Lebensmittel sogar empfehlenswert, denn sie enthalten unter anderem essenzielle Aminosäuren, wichtige Spurenelemente und auch Vitamine. Und was heißt schon „neuartig“? Bei vielen naturnah lebenden Gemeinschaften von Amazonien bis Australien gilt Insektennahrung seit jeher als Leckerbissen und als wichtige Quelle tierischen Eiweißes. Selbst in asiatischen Großstädten findet man auf Imbißwägen gebratene und gekochte Insekten aller Art.

Wieso die bei uns weniger akzeptiert sind, ist logisch kaum zu erklären. Denn hier gelten weitaus merkwürdigere Tiere als Delikatesse. Sie sitzen ihr Leben lang fest unter Wasser und filtern alle möglichen Schwebstoffe heraus, und das so lange bis der Mensch sie mit ihren schleimigen Organen noch lebend durch seinen Schlund glibbern lässt. Austern gelten (dennoch?) als Gourmet-Spezialität.

Heimchen werden speziell für den menschlichen Verzehr gezüchtet

Das mag ganz in Ordnung sein, aber warum ist es dann bloß so schwierig, knackige Insekten in unseren normalen Speiseplan zu integrieren? Umweltgesichtspunkte sprechen nicht dagegen, denn die Tiere werden speziell für den menschlichen Verzehr gezüchtet. Umweltfreundlich und ohne Tierquälerei – also anders als die etablierten Fleischlieferanten aus Massentierhaltung.

Ob die mit den Dschungelcamp-Episoden von RTL verbundenen Verdummungseffekte und Ekelbotschaften zur Diskreditierung von essbarem Krabbelzeug beitragen? Was sträubt sich im westlichen Magen oder Kopf, Grillen als Nahrungsmittel willkommen zu heißen?

Allmählich spricht sich herum, dass unsere bisherige Ernährungsweise mit dem viel zu hohen Anteil an Fleisch und Wurst ungesund ist und schlecht für Tiere, Umwelt und Klima. Da ist die Suche nach Alternativen unausweichlich. Das romantische Zirpkonzert der Heimchen in einer lauen Sommernacht braucht ja nicht gleich als kulinarischer Weckruf verstanden werden.

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