Bundestag stimmt Finanzierung des Deutschlandtickets zu – doch es gibt immer noch Haken
Bereits Ende letzten Jahres haben sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern mit dem Deutschlandticket auf einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets geeinigt. Das soll ab Mai für zunächst 49 Euro eingeführt werden, doch einige Länder kündigten hinsichtlich der Kosten bereits Sonderwege an. Nun hat der Bundestag das Gesetz zur Einführung beschlossen – doch das hält der Bundesrechnungshof für verfassungsrechtlich bedenklich und auch vom Bundesrat könnte noch Widerstand kommen. Was das bedeutet und was bisher über das Ticket bekannt ist: TRAVELBOOK hat alle Infos.
Der Bundestag hat am Donnerstag, dem 16. März, den Finanzierungsbaustein für das geplante bundesweite Deutschlandticket beschlossen. Der Bund beteiligt sich demnach an der Finanzierung des Tickets von 2023 bis 2025 mit 1,5 Milliarden Euro jährlich. Die Länder wollen in gleicher Höhe die andere Hälfte der Kosten des Tickets tragen. Geplant ist, dass das Ticket ab Mai gilt. Die EU-Kommission muss der Förderung jedoch noch zustimmen und auch vom Bundesrat könnte noch Gegenwind kommen. Denn dieser hatte bereits Anfang März mehrere Änderungswünsche an dem Gesetzentwurf beschlossen, die jedoch von der Bundesregierung größtenteils zurückgewiesen wurden. Die nun vom Bundestag verabschiedete Vorlage steht voraussichtlich am 31. März zur Abstimmung in der Länderkammer, berichtete etwa das „Manager Magazin“ unter Berufung auf die deutsche Nachrichtenagentur dpa.
Weiterer Haken: Der Bundesrechnungshof (BRH) hält das Deutschlandticket für „verfassungsrechtlich bedenklich“. Das berichtete unter anderem die „Zeit“ unter Berufung auf die deutsche Nachrichtenagentur dpa. Vor allem die geplante Finanzierung des Deutschlandtickets sei problematisch. Der BRH verweist auf rechtliche Grenzen: Die Organisation des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) liege ausschließlich in der Hand der Länder. „Eine vom Bund veranlasste Verpflichtung der Länder zur Mitfinanzierung des Deutschlandtickets“ sei laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs im Hinblick auf das Grundgesetz „mit Risiken behaftet“. Sollte demnach die Einführung des Deutschlandtickets über eine Vereinbarung zwischen Bund und Länder realisiert werden, überziehe der Bund möglicherweise seine Gestaltungsmacht.
Dass der ÖPNV Sache der Länder ist, spiegelt sich auch in den aktuellen Preis-Debatten über das Deutschlandticket wider. Sollte es bundesweit zunächst einheitlich für 49 Euro monatlich eingeführt werden, zeichnet sich schon jetzt ein regionaler Flickenteppich ab. Während Bayern bereits ein für Studenten und Auszubildende vergünstigtes Ticket für 29 Euro angekündigt hat, erwägen auch Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland Vergünstigungen für Studenten, Auszubildende oder Senioren. Auch Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz prüfen vergünstigte Tarife und Zusatzmodelle. Bei den Mitnahmeregelungen dürfte es ebenfalls unübersichtlich werden. Sogar innerhalb der einzelnen Bundesländer wird es mitunter verschiedene Regelungen geben. Denn, da es in Deutschland viel mehr Verkehrsverbünde als Bundesländer gibt, könnten alle paar Kilometer wieder andere Regeln gelten.
Nicht nur der Preis, die Tarifmodelle und die Rechtsmäßigkeit des Deutschlandtickets, sondern auch viele weitere Details sind noch ungeklärt. Wann und in welcher Form das Deutschlandticket kommen soll, ob sich das Vorbestellen via App schon lohnt und wofür das Ticket zählt: TRAVELBOOK gibt einen Überblick zum Deutschlandticket:
Wann kommt das Deutschlandticket?
Eigentlich hatten sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern auf einer Sonderkonferenz Ende November 2022 bereits auf einen Starttermin für das Deutschlandticket geeinigt: Der 1. April 2023 sollte es werden – nachdem zuvor eine Einführung zu Jahresbeginn angedacht war. Doch der Termin wurde immer weiter nach hinten verschoben, viele Modalitäten waren noch unklar. Im Februar hat NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz verkündet, Starttermin werde fix der 1. Mai. Allerdings muss das für das Deutschlandticket notwendige Gesetz, wie beschrieben, immer noch voraussichtlich Ende März den Bundesrat passieren und auch die Zustimmung der EU-Kommission steht noch aus. Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Zweifel des Bundesrechnungshofs hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Deutschlandtickets auswirken.
In welcher Form kommt das Deutschlandticket?
Die Länder über die Form des Deutschlandtickets noch uneinig. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach in einer Sitzung von Bund und Länder Ende Januar von einem rein digitalen Ticket. Da dies Menschen ohne Smartphone ausschließe, kündigte Bayern daraufhin einen Sonderweg an. Das Land plane laut „Merkur“ als Alternative zum digitalen Ticket eine Chipkarte, die zwar maschinenlesbar ist, aber kein Smartphone voraussetzt. Damit soll es auch vor allem älteren Menschen oder Schülern ohne Handy ermöglicht werden, das verbilligte Ticket zu nutzen.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert zudem eine Übergangslösung in Papierform. So sagte der VDV auf Twitter: „Nicht jedes Unternehmen hat durchdigitalisierte Vertriebssysteme und viele Jobtickets oder Semester- und Schülertickets laufen noch als Papierfahrscheine. Da braucht es eine Übergangsfrist: aus unserer Sicht bis Jahresende.“ Voraussetzung für ein solches Übergangs-Papierticket ist, dass auch dieses digital auslesbar sein muss, etwa über einen QR-Code. Konkrete Antworten bezüglich der Umsetzung und Einführung sind aber weiterhin offen.
Deutschlandticket schon über App vorbestellen – ist das sinnvoll?
Wer in dem App-Store seiner Wahl nach „Deutschlandticket“ sucht, bekommt sie ganz oben angezeigt: die „Deutschlandticket-App“. Dort kann man sich nicht nur über das Ticket informieren, sondern es auch direkt vorbestellen. Wichtig ist allerdings, dass die „Deutschlandticket App“ nicht von der Deutschen Bahn kommt – es handelt sich um das Drittunternehmen Hansecom, das schon mit mehreren regionalen Verkehrsverbänden Verträge hat. Außerdem relevant ist, dass das Deutschlandticket, wie auch das 9-Euro-Ticket im Sommer 2022, auch bei jedem Verkehrsverband und über die DB-App zu kaufen sein wird. Es besteht also kein zwingender Grund, sich diese App bereits runterzuladen oder gar ein Ticket vorzubestellen aus Sorge, man bekäme sonst keins.
Wer sich allerdings aus Interesse und ohne Druck jetzt schon über die App für das Vorbestellen entscheidet, stutzt spätestens bei der Auswahl der Verkehrsunternehmen. Denn hier sind nicht alle aufgeführt, mehrere größere Verbände fehlen noch. Für die Nutzer macht das keinen Unterschied: Da man das 49-Euro-Ticket deutschlandweit unbegrenzt nutzen kann, ist es egal, ob man als Münchner ein Ticket bei der Berliner BVG bestellt oder als Dresdner ein Ticket beim Hamburger HVV. Wenn Sie also ein Ticket bestellen wollen, können Sie einfach willkürlich eines der angegebenen Unternehmen auswählen.
Fazit: Wer sich jetzt bereits ein Deutschlandticket vorbestellen will, kann dies tun, notwendig ist es nicht.
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Wofür wird das Deutschlandticket gelten?
Das Deutschlandticket wird in ganz Deutschland für den Nahverkehr gelten. Schienenfernverkehr und der Reisebusverkehr sind demnach nicht inbegriffen. Zu den Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn gehören:
- S-Bahn (S),
- Regionalbahn (RB),
- Regionalexpress (RE),
- Interregioexpress (IRE)
Wie wird das Deutschlandticket finanziert?
Der Bund zahlt für das Deutschlandticket ab 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro an die Länder, wobei sich der Verlustausgleich für 2023 anteilig reduziert. Heißt: Je später das Ticket eingeführt wird, umso weniger zahlt der Bund. Das Geld erhalten die für den Nahverkehr zuständigen Bundesländer als zusätzliche, sogenannte „Regionalisierungsmittel“. Im Jahr 2023 trägt der Bund zudem 50 Prozent der gegebenenfalls anfallenden Mehrkosten bei der Einführung des Tickets.
Diese Finanzierung hält der VDV für unzureichend. „Das Risiko eines höheren Verlustes sowie die erforderlichen Anlaufinvestitionen sind ins unternehmerische Risiko der Unternehmen verschoben, das geht nicht“, sagte Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff. Auch die weiterhin angedachte monatliche Kündbarkeit des Deutschlandtickets führe zu Risiken.
Mit Material von reuters