Experte prophezeit „Scheinangriff“ - Am 24. Februar wird Putin „alles reinwerfen“
Die USA, Großbritannien, Deutschland und weitere europäische Staaten wollen der Ukraine Kampfpanzer liefern. Doch bis dahin werden noch Monate vergehen. Nutzt Putin die Karenz für eine vorgezogene Frühjahrsoffensive und wie könnte die aussehen? Ein Russland-Experte klärt auf.
Stefan Meister, Leiter des Zentrums für Ordnung und Governance in Russland, Osteuropa und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hält eine baldige Frühjahrsoffensive „für sehr wahrscheinlich“, wie er gegenüber FOCUS online erklärt. „Sie könnte auch schon zum Jahrestag des Krieges kommen.“ Am 24. Februar also.
„Es könnte einen Scheinangriff aus Belarus geben, um ukrainische Truppen zu binden und dann wird es vor allem um Geländegewinne im Donbas und an der Krimbrücke gehen“, skizziert Meister ein mögliches Szenario. „Das sind die beiden Regionen, wo Russland vorstoßen könnte, ob mit oder ohne Angriff aus Belarus.“
„Russland wird alles reinwerfen“
Doch ist Russland nach den militärischen Niederlagen Ende 2022 überhaupt in der Lage, eine solche Großoffensive zu starten? „Russland kann noch eine solche Offensive fahren“, ist Meister überzeugt. „Sie werden alles reinwerfen und frisch ausgebildete Rekruten in diese Offensive bringen.“ Dem vorausgehen werden Meister zufolge massive Bombardements der Kontaktlinie.
In der Ukraine indes werden bereits Forderungen nach westlichen Kampfjets laut und auch deutsche U-Boote haben offenbar Begehrlichkeiten geweckt. „Damit war zu rechnen und solch eine Debatte hätten wir schon längst führen müssen“, stellt Russland-Experter Meister klar. Dass diese Wünsche erhört werden, hält Meister dagegen im Moment für eher unwahrscheinlich.
Es wäre ihm zufolge ein großer Schritt in einer weiteren Eskalation. „Die Ukraine könnte ganz anders Russland attackieren und hätte tatsächlich die Chance, Gebiete zurückzuerobern.“ Damit wachse aber auch die Gefahr, dass der Krieg auf russisches Territorium übergreifen könnte.
Beschaffungswesen der Bundeswehr blockiert sich selbst
In Anbetracht all dessen erscheint die Politik der Bundesregierung immer mehr als Stückwerk. „Es scheint in der Bundesregierung noch immer keine Vorbereitung auf den weiteren Verlauf und mögliche Szenarien des Krieges zu geben“, betont Meister. „Es wurde, zumindest bisher, ad hoc gehandelt, eher gebremst als vorgesorgt.“
Der zurückgetretenen Verteidigungsministerin Lambrecht schreibt Meister als Kernkompetenz eher die Loyalität zu Kanzler Scholz zu als das Beschaffungswesen der Bundeswehr in den Griff zu bekommen. „Dieses ist so bürokratisch und blockiert sich selbst, dass es weiterhin lange dauert, bis neue Rüstungsgüter bestellt werden“, so Meister.
Es werde Monate, teilweise Jahre dauern, bis neues Material komme. Meister warnt: „Deutschland ist nur bedingt verteidigungsfähig und die fehlende Planung und Bestellungen gemeinsam mit der Weitergabe von Waffen an die Ukraine schwächt die Bundeswehr.“ Gleichzeitig sei die beste Versicherung für Deutschland aktuell, die Ukraine gut auszustatten und verteidigungsfähig zu halten.
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