Patriarch Kirill I. soll in der Schweiz für den KGB spioniert haben
Unter dem Decknamen »Michailow« soll der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill in den Siebzigerjahren in Genf für den KGB gearbeitet haben. Die Kirchen wissen von nichts, ein Neffe des Kirchenführers dementiert.
Seit 2009 steht Wladimir Gundjajew als Patriarch Kirill I. der russisch-orthodoxen Kirche vor. Er ist ein treuer Unterstützer des russischen Staatschefs Wladimir Putin, den er 2012 gar als »Wunder« bezeichnete. Der Kirchenführer hat in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Angriffskrieg auf die Ukraine für einen gerechten, ja notwendigen hält. Deswegen nahmen ihn die Ukraine, Großbritannien und Kanada auf ihre Sanktionslisten.
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Seit Jahren wird kolportiert, dass Gundjajew für den KGB als Agent tätig war. Jetzt berichteten »Le Matin Dimanche« und die »Sonntagszeitung« unter Berufung auf das Schweizer Bundesarchiv, dass der Patriarch in den Siebzigerjahren in Genf für den damaligen sowjetischen Auslandsgeheimdienst KGB gearbeitet haben soll.
Die Tätigkeit sei festgestellt worden, als sich Gundjajew im Land aufgehalten habe, heißt es. Demnach belege eine Anfang der Siebzigerjahre von der Bundespolizei erstellte und inzwischen freigegebene Akte über Kirill, dass er »dem KGB angehört«.
Aufgabe des Agenten: die USA und ihre Verbündeten anprangern
Ab 1971 lebte der damals 24-jährige Priester den Angaben zufolge unter dem Decknamen »Michailow« in Genf. Dort vertrat er offiziell das Moskauer Patriarchat beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Kirill leitete die Genfer Kirche von einem Haus in der Rue de Beaumont aus, das er von einer Arztfamilie mietete.
Die Aufgabe des Geistlichen soll unter anderem darin bestanden haben, den vom KGB infiltrierten Rat zu beeinflussen. Ziel der sowjetischen Führung war es laut den Medienberichten damals, die Genfer Institution dazu zu bewegen, die USA und ihre Verbündeten anzuprangern und ihre Kritik an der mangelnden Religionsfreiheit in der UdSSR zu mäßigen.
Von Juli 1969 bis Februar 1989 hat Kyrills Akte bei der Schweizer Bundespolizei insgesamt 37 Einträge, die meisten betreffen Visaanträge und Einreisen. Zweimal soll allerdings vermerkt sein, dass der Priester in einem Verzeichnis von sowjetischen Funktionären stehe, »gegen die Maßnahmen ergriffen wurden«. Welche Maßnahmen das waren, wird nicht erläutert.
Auch nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion soll Gundjajew ab 1975 immer wieder die Schweiz besucht haben. Insgesamt 43 Einreisen des russischen Kirchenfürsten seien dokumentiert. »Ich habe noch viele Freunde in der Schweiz«, soll er 2019 gesagt haben.
Laut beiden Zeitungen lehnte die russisch-orthodoxe Kirche bislang jeden Kommentar zu Kirills mutmaßlicher Spionagetätigkeit in Genf ab. Der ÖRK teilte demnach seinerseits mit, dass er »keine Informationen« zu diesem Thema habe.
Kirills Neffe und Amtsnachfolger dementiert
Michail Gundjajew ist Kirills Nachfolger im Amt in Genf – und sein Neffe. Er bestritt gegenüber »Le Matin Dimanche« eine Agententätigkeit seines Onkels. Kirill sei trotz der »strengen Kontrolle« des KGB »nie ein Agent gewesen«. Die »Aufrichtigkeit seines Engagements in der ökumenischen Arbeit mit anderen Kirchen« sei vom Druck des sowjetischen Geheimdienstes »nicht beeinträchtigt« gewesen, sagte Gundjajew dem Blatt.
Laut der regierungskritischen russischen »Nowaja Gaseta« hat sich Kyrill seit seiner Wahl zum Patriarchen 2009 zu einem wahren Immobilientycoon entwickelt. Neben seinem Amtssitz bei Moskau besitze er ein Anwesen mit Datscha im Moskauer Nobelquartier Rubljowka sowie ein Anwesen bei St. Petersburg, dessen luxuriöser Umbau den Staat etwa 40 Millionen Euro gekostet habe. Angeblich soll er auch noch ein Haus in den Alpen besitzen – laut »Nowaja Gaseta« das Geschenk einer Schweizer Staatsbürgerin. Legendär ist die Vorliebe des Patriarchen für edle Schweizer Uhren. Laut unbestätigten Medienberichten soll er zudem ein auf vier bis acht Milliarden Dollar geschätztes Privatvermögen auf ausländischen Banken geparkt haben. Kirill hat das dementiert und solche Berichte als »Fantastereien« bezeichnet.