Putin wird nie vor Gericht gestellt werden
Es mag für den einen oder anderen erleichternd sein, einen Kriegsverbrecherprozess gegen Wladimir Putin zu fordern. Wer wollte bestreiten, dass Russlands Präsident einen Angriffskrieg führt? Nur: Politiker sollten so aufrichtig sein, den Grad ihrer Empörung an der Wirklichkeit auszurichten. Putin wird nie vor Gericht gestellt werden – und das nicht, weil er eine Verurteilung nicht verdient hätte. Es gibt juristisch keine Handhabe gegen ihn.
Kriegsverbrechen strafrechtlich zu ahnen und den Angeklagten im Ausland vor ein Gericht zu stellen, ist möglich. Dazu aber muss der Staat, dessen Präsident der Prozess gemacht werden soll, das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs unterzeichnet haben. Russland hat dies nie getan.
Zwar ermittelt der Chefankläger in Den Haag bereits gegen die russische Staatsspitze. Mehr aber ist nicht möglich. Ihm fehlt das Mandat. Und selbst wenn Moskau das Statut von 1998 unterschrieben hätte, dürfte Den Haag ein Staatsoberhaupt erst dann anklagen, wenn die Person nicht mehr im Amt ist. In Putins Fall wird dies wohl noch einige Zeit dauern.
Angesichts der Schwere der Verbrechen könnte es aber sein, dass ein oder mehrere Staaten oder sogar die Europäische Union ein Tribunal berufen. Dieses aber erhielte nur dann die nötige Legitimität, wenn sie ihm vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewährt wird. In diesem Gremium sitzen Russland und China. Ihr Veto wäre sicher. Also aus der Traum.
Bleibt die politische Dimension. Ziel sollte es sein, über kurz oder lang den bestmöglichen Waffenstillstand für die Ukraine auszuhandeln. Diese Waffenruhe wird kein Siegfrieden werden. Russland ist dafür zu mächtig. Es wird also Zugeständnisse geben müssen.
Eine törichte Idee
Wer aber von Anfang an nicht nur das Ende des Krieges, sondern gleichzeitig auch das des obersten Kriegsherren fordert, der schließt jegliche Verständigung aus und setzt – letztlich – wenn nicht auf einen Karthago-Frieden, so doch auf eine vollkommene russische Niederlage. Vielleicht eine betörende, vor allem aber eine törichte Idee.
Spielt man sie durch und gewönne den Krieg, blieben noch immer die Bedenken, die sich aus der Geschichte ergeben. Der Versailler Vertrag hat gezeigt, was geschieht, wenn man Staaten demütigt und auf Dauer zu isolieren sucht. Schon die alten Römer mahnten: „Memores estote, inimici, ex ossibus ultor.“ Seid eingedenk, ihr Feinde, aus den Gebeinen (der Gefallenen) wird ein Rächer entstehen.