Dresdner Forscher finden neue Corona-Spätfolgen
Erstmals wurden in Deutschland Millionen Datensätze der Krankenkassen zum Coronavirus ausgewertet. Jetzt gibt es Fakten zu Long-Covid und Folgeerkrankungen.
Dresden. Nach einer Corona-Infektion bleiben Folgerisiken. Dazu gibt es bisher zahlreiche Beobachtungen, aber so gut wie keine belastbaren Daten. Einige ganz erhebliche Risiken zu Folgeerkrankungen haben Wissenschaftler des Dresdner Universitätsklinikums heute in einer bisher für Deutschland einmaligen Datenanalyse veröffentlicht.
Das Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu bekommen, ist nach einer Corona-Infektion erhöht, sagt Jochen Schmitt, Professor für Sozialmedizin und Versorgungsforschung, gegenüber der SZ. „Patienten, die Covid hatten, weisen 43 Prozent häufiger eine neue Autoimmunerkrankung auf als Personen ohne Covid-Infektion. Und dies in den ersten drei bis 15 Monaten nach der Infektion.“ Patienten auf Intensivstationen und jene, die beatmet werden mussten, bei denen habe sich das Risiko im Vergleich zu jenen ohne Krankenhausaufenthalt mehr als verdoppelt.
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Risiko nach Corona-Infektion deutlich erhöht
Zu den Autoimmunerkrankungen zählen unter anderem Rheuma, aber auch Gefäßschädigungen, Darmentzündungen und Diabetes Typ 1. Es sind schwere, oft lebenslange Störungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet, sagt Schmitt. „Auch Neurodermitis ist ungefähr in der gleichen Größenordnung häufiger nach Covid vorgekommen wie die Autoimmunerkrankungen.“
Zum Vergleich, auch zu Geruchs- und Atemproblemen wurde in die Daten geschaut: Das Risiko für Riech- und Geschmacksstörungen sei einer vorangegangenen Studie zufolge um 569 Prozent erhöht, Kurzatmigkeit um 188 Prozent und chronische Erschöpfung, Ermüdung um 97 Prozent.
Jochen Schmitt und sein Team konnten durch die Zusammenarbeit mit dem RKI und den Krankenkassen 38 Millionen Krankenakten anonymisiert verarbeiten. Etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist somit in dieser Studie erfasst. Es geht dabei um Daten der ersten und zweiten Welle des Ursprungsvirus bis 2021 und vor Impfbeginn.
Medizinprofessor: Corona-Folgeerkrankungen im Blick behalten
„640.000 Datensätze von Covid-Patienten sind in der Studie enthalten“, sagt der leitende Statistiker Falko Tesch. „15 von 1.000 Covid-Patienten bekommen im Jahr darauf eine Autoimmunerkrankung.“ Ohne Covid seien es in der Vergleichsgruppe 10,5 Menschen. Etwa 15 Prozent der Erwachsenen seien nach einer Covid-Infektion drei Monate später in den Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen noch mit Diagnosen zu Symptomen und Erkrankungen aufgefallen.
Medizinprofessor Jochen Schmitt hält deutlich mehr Studien dieser Art für notwendig. „Wir haben noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte damit zu tun, die Folgeerkrankungen zu behandeln. Darauf muss das Gesundheitswesen vorbereitet sein.“ Jochen Schmitt berät in diesen Fragen auch die Bundesregierung. „Wir müssen das im Blick behalten.“
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