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Ölkonzerne zerschlagen? Habeck wärmt eine alte FDP-Idee auf

WELT-Logo WELT 13.06.2022 Daniel Wetzel

Weil der Tankrabatt nicht wie geplant funktioniert, hat Robert Habeck Ölkonzernen mit Zerschlagung gedroht. Dafür will der Bundeswirtschaftsminister das Kartellrecht verschärfen. Rechtsexperten äußern sich wohlwollend. Dabei ist das Vorhaben schon einmal gescheitert.

Bundeswirtschaftsminister Habeck möchte ein neues Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ Quelle: AFP/TOBIAS SCHWARZ © AFP/TOBIAS SCHWARZ Bundeswirtschaftsminister Habeck möchte ein neues Kartellrecht mit „Klauen und Zähnen“ Quelle: AFP/TOBIAS SCHWARZ

Zerschlagung der Ölkonzerne! Mit seinem jüngsten Vorstoß zur Verschärfung des Kartellrechts hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht nur bei Autofahrern, sondern wohl auch im antikapitalistischen Lager der extremen Linken einige Punkte gutgemacht. Dabei wärmt der Grünen-Politiker nur eine alte Idee der FDP auf.

Tatsächlich war es der liberale Ex-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der schon im Jahre 2009 mit dem Entwurf einer „missbrauchsunabhängigen Entflechtungsregelung“ ein Instrument zur Zerschlagung von Konzernstrukturen ausarbeiten ließ. „Im Wirtschaftsministerium braucht man den Entwurf nur aus der Schublade holen, der war gar nicht so schlecht“, sagt der Wettbewerbsökonom Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) und frühere Chef der Monopolkommission.

Habeck hatte angekündigt, kriegsbedingte „Übergewinne“ von Energiekonzernen abschöpfen zu wollen. Zudem sollen die Kartellbehörden marktbeherrschende Konzerne „entflechten“, also zerschlagen können, selbst dann, wenn ihnen kein Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung nachgewiesen werden kann.

Es war zwar bislang schon die Aufgabe der Wettbewerbsbehörden, die Entstehung von marktbeherrschenden Unternehmen zu verhindern. Doch das Kartellrecht erlaubt bis dato nur einen Eingriff, wenn so eine Marktdominanz durch die Fusion oder Übernahme von Unternehmen entsteht.

Wächst aber ein Unternehmen von allein, also „organisch“ in so eine dominierende Stellung hinein, waren die Wettbewerbshüter machtlos. Ein Missstand, den schon die frühere schwarz-gelbe Bundesregierung beheben wollte.

Erweiterung des Kartellrechts

Doch obgleich die Verschärfung des Kartellrechts 2009 auch im Koalitionsvertrag stand, konnte sich der damalige Wirtschaftsminister Brüderle gegen die Widerstände der Wirtschaft nicht durchsetzen.

Die Idee: „Durch eine Entflechtungsanordnung könnte Unternehmen aufgegeben werden, sich von bestimmten Unternehmensteilen oder Vermögenswerten, etwa Tankstellen, durch Veräußerung an unabhängige Dritte zu trennen“, erklärt Daniel Zimmer, Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht in Bonn.

Der frühere Leiter der Deutschen Monopolkommission hält so eine Erweiterung des Kartellrechts grundsätzlich für sinnvoll: „Da Wettbewerbsprobleme auch durch organisches Unternehmenswachstum zustande kommen können, erscheint es konsequent, eine Marktstrukturkontrolle künftig nicht nur in Fällen externen, sondern auch in solchen internen Wachstums zu ermöglichen.“


Video: Habeck will Kartellrecht verschärfen - und Ölkonzerne notfalls zerschlagen (glomex)

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„Natürlich kann das nur ultima ratio sein, die rechtlichen Schritte werden schwierig“, ergänzt Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Doch stehe auch er den Entflechtungsplänen „durchaus wohlwollend gegenüber“, erklärt Podszun: „Wenn die Alternative eine laufende Verhaltenskontrolle ist, ist ein klarer Cut möglicherweise sogar der weniger invasive Weg.“ Schließlich habe selbst der ordoliberale Gründervater Walter Eucken immer wieder vor Machtkonzentration in der Wirtschaft gewarnt.

Damoklesschwert der Zerschlagung

Nur: Wenn über erfolgreich wachsenden Unternehmen ständig das Damoklesschwert der Zerschlagung hängt, könnte das „auch volkswirtschaftlich schädliche Anreize setzen“, warnt Wettbewerbsökonom Zimmer: Unternehmen könnten dann nämlich versuchen, Wachstum zu vermeiden. „Auf diese Weise könnte die Aussicht auf eine drohende Entflechtung Unternehmen an Innovation und Effizienzsteigerung hindern und damit einen gesamtwirtschaftlich nachteiligen Effekt haben.“

Die Monopolkommission hatte deshalb schon 2010 zu einer Entschädigungsregel geraten. Unternehmen, die staatlicherseits gezwungen werden, sich aufzuteilen, „müssten für Renditen entschädigt werden, die ihnen durch die Entflechtung entgehen.“

Allerdings müssten sie sich den Erlös aus der erzwungenen Veräußerung anrechnen lassen. Und sie wären natürlich nicht für Monopolgewinne zu entschädigen, die ihnen wegen des Verlusts ihrer marktbeherrschenden Stellung entgehen.

Für den Düsseldorfer DICE-Direktor Haucap es wichtig, dass bei der Entflechtung großer Unternehmen keine Willkür herrscht. Schon Brüderle hatte einen umfangreichen Kriterienkatalog zur Voraussetzung eines solchen Eingriffs gemacht. Einer Entflechtung müsse etwa eine ausführliche Sektor-Untersuchung durch das Bundeskartellamt vorausgehen.

Dies zu tun, habe man im Falle von Raffinerien leider bislang versäumt. Deshalb sei es aktuell auch einigermaßen unklar, welcher Teil des jüngsten Benzinpreisanstiegs auf die Ölproduzenten, die Raffinerien oder die Tankstellen-Betreiber zurückzuführen sei.

„Übergewinne“ der Mineralölkonzerne abschöpfen

Schwieriger als die Einführung neuer Entflechtungsregeln dürfte es werden, die sogenannten „Übergewinne“ der Mineralölkonzerne abzuschöpfen, glaubt Haucap. Ein reines „Tankstellen-Gesetz“ halte er für rechtlich angreifbar. Regeln für die Gewinnabschöpfung müssten wohl für alle Branchen gelten, also auch für Impfstoffhersteller, Windkraft-Betreiber und Rüstungsfirmen, die ebenfalls von Krisen und Krieg stark profitieren.

Während andere Staaten relativ rechtssicher Förderabgaben auf Öl und Gas erheben können, steht diese Möglichkeit in Deutschland nicht zur Verfügung. „Juristisch ist das Ganze alles andere als trivial“, sagt Haucap. So sei die Bundesregierung auch mit dem Versuch gescheitert, mit der Kernbrennstoffsteuer für Atomkraftwerke eine verdeckte Gewinnsteuer einzuführen: Das entsprechende Gesetz wurde höchstrichterlich wieder kassiert.

Der Bonner Ökonom Daniel Zimmer verweist jedoch darauf, dass es bereits nach geltendem Recht möglich ist, sogenannte Übergewinne staatlich einzuziehen: „Kann das Kartellamt nachweisen, dass die Konzerne ihre Preise in letzter Zeit abgekoppelt von der Kostensituation allein unter Ausnutzung der Abhängigkeit der Verbraucher festgesetzt haben, könnte es diese (Über-) Gewinne abschöpfen.“

Eine der anerkannten Methoden des Nachweises eines solchen „Ausbeutungsmissbrauchs“ bestehe in einem Vergleich der Preise mit den Kosten der Unternehmen. Bleiben die Kraftstoffpreise hoch, obwohl die Steuern fallen, könnte dies als ein Hinweis auf einen Missbrauch gesehen werden, sagt Zimmer: „Jedenfalls wäre es in dieser Situation an den Unternehmen, ihre Kosten darzutun, wenn sie sich gegen den Vorwurf der missbräuchlichen Preissetzung zur Wehr setzen wollen.“

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