Die Abgabefrist der Grundsteuererklärung gibt Rätsel auf
An der Grundsteuer lässt sich das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern mustergültig studieren. Der eine fordert etwas, der andere muss liefern. Es ist ein Oben und Unten. Dass das Eintreiben der Mittel mit einigem Aufwand verbunden ist, geht oft unter. Doch das ist Teil des Systems. Der Steuerstaat verlangt den Bürgern und Betrieben ihr Bestes ab – ihr Geld und ihre Zeit.
Viele verbringen jedes Jahr viele Stunden damit, die Einkommensteuererklärung auszufüllen. Andere zahlen viel Geld für professionelle Hilfe. Damit nicht genug: Manche werden sogar verpflichtet, dem Finanzamt Arbeit abzunehmen, obwohl es gar nicht um ihr Einkommen geht: Arbeitgeber haben die Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen, nur weil sie Leute beschäftigen. Banken müssen aufwendig die Abgeltungsteuer ermitteln und an den Fiskus überweisen, um Anleger und Finanzbeamte zu entlasten.
Seit einigen Monaten sorgt die Grundsteuer für Schlagzeilen. Etwa 36 Millionen Immobilien sind neu zu bewerten, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Offensichtliche unumstößlich festgestellt hat: dass die historischen Einheitswerte aus den Jahren 1964 im Westen und 1935 im Osten nichts mehr mit der Realität von heute zu tun haben und damit nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das war 2018. Das Gericht gab dem Gesetzgeber bis Ende 2019 für eine Neuregelung Zeit – und der Finanzverwaltung sogar fünf weitere Jahre, um sich auf die damit verbundenen Änderungen einzustellen. Manche Länder nutzen die Gelegenheit, um die Grundsteuer abweichend vom Bundesrecht in ihren Grenzen nach eigenen Vorstellungen zu regeln.
Säumige werden bleiben
Die Richter in den roten Roben waren gegenüber dem Fiskus großzügig, anders als dieser gegenüber den Betroffenen. Die Finanzverwaltung plante gerade einmal vier Monate ein, in denen die Eigentümer ihre Erklärungen abgeben sollten. Erst als offenkundig war, dass diese Frist zigmillionenfach gerissen werden dürfte, verlängerte man diese noch einmal um drei Monate bis Ende Januar 2023. Zum Auftakt dieses Jahres hieß es alarmierend, nur etwa die Hälfte der Erklärungen sei eingegangen.
Das sollte man nicht überbewerten. Mancher braucht den Zeitdruck, um selbst aktiv zu werden. Auch dürfte so mancher Steuerberater das fertig ausgefüllte Formular erst zum Termin übersenden, sodass die Erledigungsquote sich noch kräftig erhöhen sollte. Doch bleiben Säumige. Sie werden alsbald erinnert, gemahnt, mit Zuschlägen angetrieben. Wenn alles nichts fruchtet, wird ihre Immobilie vom Finanzamt geschätzt, was den betreffenden Eigentümern kaum zum Vorteil gereichen dürfte. Auch das ist nichts Ungewöhnliches im Steuerstaat.
Nun gehören dem Staat selbst Grundstücke. Die wenigsten Länder haben pragmatisch geregelt, dass für steuerbefreite Liegenschaften (zumeist öffentliche Grundstücke im öffentlichen Interesse) keine Erklärungen einzureichen sind. Andere haben dies versäumt. Und überall sind natürlich für Immobilien im öffentlichen Besitz, die nicht steuerbefreit sind, entsprechende Erklärungen abzugeben. Aus Hessen und Nordrhein-Westfalen hört man dazu gute Nachrichten, sie haben das alles offenbar rechtzeitig geschafft.
Götter dürfen mehr als Rindviecher
Aber das scheint nicht überall geklappt zu haben, vorsichtig formuliert. Der Bund, aber auch manches Land und manche große Stadt werden vermutlich die Frist nicht einhalten. Was das heißt, wussten schon die alten Römer: Götter dürfen mehr als Rindviecher. Heute heißt das: Was für den Bürger gilt, kümmert staatliche Instanzen zuweilen wenig, wenn sie selbst betroffen sind.
Sind die Erklärungen schwer oder leicht auszufüllen? Da gehen die Einschätzungen auseinander. Sicherlich spielen da einige Faktoren eine Rolle: die Hilfestellung aus den Ländern, die grundsätzliche Disposition zu Laptop und zu Steuer-Elster, die individuelle Leidensfähigkeit. Wer abgegeben hat, bekommt irgendwann den Bescheid. Der ein oder andere hat schon Post vom Finanzamt bekommen. Ihm wird darin mitgeteilt, was die Immobilie im Rahmen der neuen Grundsteuer wert ist und wie hoch der neue Steuermessbetrag ist.
Das ist wichtig und zugleich wenig aussagekräftig, denn es ist nur die Basis für die künftige Belastung. Dummerweise sagt dieser Bescheid also noch nicht, wie hoch die Grundsteuer vom übernächsten Jahr an tatsächlich sein wird. Entscheidend ist dafür der Hebesatz, das ist gleichsam der Steuersatz. Den bestimmen die Kommunen – vermutlich erst Ende 2024. So bleiben noch so einige Monate Zeit zum Rätseln. Ärgern kann man sich immer. Bringt aber auch nichts.