Halbleiterkonzern: Intel stolpert und verspricht keine schnelle Erholung
Inmitten einer gigantischen Investitionsoffensive verdüstert sich die Finanzlage von Intel dramatisch. Der amerikanische Halbleiterkonzern meldete für die vergangenen drei Monate einen erheblichen Umsatzrückgang und einen Verlust, auch sein Ausblick für das erste Quartal war trübe und viel schlechter als erwartet. Der Aktienkurs stürzte am Freitag zeitweise um mehr als 10 Prozent ab. Vorstandschef Pat Gelsinger gab sich selbstkritisch: Die Finanzdaten seien „nicht, was wir uns erhoffen würden“ und „unter dem, was wir von uns selbst erwarten“, sagte er in einer Telefonkonferenz.
Speziell mit Blick auf das Geschäft mit Halbleitern für Netzwerkrechner (Server), wo Intel zuletzt der Wettbewerber Advanced Micro Devices (AMD) verstärkt zu schaffen machte, sagte Gelsinger: „Wir verstehen, dass wir gestolpert sind. Wir haben Marktanteile verloren, wir haben Momentum verloren.“ Der Intel-Chef suggerierte, dass eine schnelle Wende nicht in Sicht ist: „Ich möchte jeden daran erinnern, dass wir uns auf einer mehrjährigen Reise befinden.“ An den Plänen für neue Chipfabriken auf beiden Seiten des Atlantiks will er aber offenbar nicht entscheidend rütteln. Solche strategischen Investitionen sollten „weitgehend unverändert“ umgesetzt werden. Zu den Projekten gehören zwei Chipwerke in Magdeburg, die 17 Milliarden Euro kosten sollen.
Dramatische Abschwächung des Marktes für PC-Chips
Im vergangenen Quartal fiel Intels Umsatz um 32 Prozent auf 14,0 Milliarden Dollar, und es gab einen Nettoverlust von 664 Millionen Dollar. Im Gesamtjahr lag der Umsatz bei 63 Milliarden Dollar und damit weit unter den 76 Milliarden Dollar, die sich der Konzern ursprünglich einmal vorgenommen hatte. In der zweiten Jahreshälfte hat Intel seine Prognosen schon mehrfach nach unten korrigiert. Im jüngsten Quartal musste Intel in seinen beiden wichtigsten Sparten Umsatzrückgänge von jeweils mehr als 30 Prozent hinnehmen. Bei Chips für Personal Computer leidet der Konzern unter einer dramatischen Abschwächung des Marktes. Nach rasantem Wachstum inmitten der Pandemie werden nun viel weniger PCs gekauft, und die Hersteller der Computer haben große Bestände an Chips angesammelt, die sie nun abzubauen haben. Die Marktforschungsgruppe Gartner berichtete gerade, der globale PC-Absatz sei im vierten Quartal so stark gefallen wie seit mindestens Mitte der Neunzigerjahre nicht mehr, als diese Zahlen erstmals erhoben worden seien. Auch bei den Server-Chips hat sich der Markt abgeschwächt, aber gerade hier hat Intel auch hausgemachte Probleme und zuletzt Boden gegenüber AMD verloren, unter anderem wegen Verzögerungen bei wichtigen neuen Produkten. Gelsinger sagte, er rechne hier mit einer Stabilisierung in diesem Jahr und verwies auf eine kürzlich herausgekommene neue Chipreihe.
Für das erste Quartal sagt Intel nur einen Umsatz von 10,5 Milliarden bis 11,5 Milliarden Dollar voraus. Das würde einem Minus gegenüber 2022 von bis zu 43 Prozent entsprechen, Analysten hatten auf fast 14 Milliarden Dollar gehofft. Während der Konzern sagt, an seinen Großinvestitionen festhalten zu wollen, versucht er, an anderer Stelle kräftig zu sparen. Schon im Herbst kündigte er ein Restrukturierungsprogramm an, dass die jährlichen Kosten kurzfristig um 3 Milliarden Dollar senken soll, bis 2025 werden sogar Einsparungen von bis zu 10 Milliarden Dollar angepeilt. Dazu sollen auch Entlassungen beitragen, deren Zahl Intel aber nicht konkretisiert hat.
Milliarden-Subventionen, komplexe Genehmigungen
Vielen Beobachtern scheint es trotz Intels Beteuerungen fraglich, ob der Konzern seine Investition in Magdeburg wie geplant durchziehen wird. Es wird auch spekuliert, der Bau könnte eine Nummer kleiner ausfallen als bislang geplant. Die hiesigen Fördertöpfe für Projekte wie die Magdeburger Chipfabriken sind schon vor Wochen gut gefüllt worden, heißt es aus Berliner Regierungskreisen. Allein Intel kann mit Subventionen von insgesamt mehr als 6 Milliarden Euro für die ersten beiden des auf bis zu zehn Fabriken ausbaubaren Chipkomplexes rechnen. Vor diesem Hintergrund arbeitet die Bürokratie in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt seit Monaten mit Hochdruck an den komplexen Genehmigungen für eine der größten Einzelinvestitionen in der jüngeren Industriegeschichte Deutschlands. Auch hat Intel die nötigen Grundstücke bereits gekauft und deren bauliche Erschließung angeschoben.
Erst Anfang dieser Woche stellte sich der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel mit großer Mehrheit hinter den vor einem Jahr von der EU-Kommission vorgeschlagenen „EU Chips Act“. Er machte damit seinerseits den Weg für staatliche Beihilfen in Milliardenhöhe für neue Halbleiterfabriken frei. Neben Intel haben die deutsche Infineon-Gruppe und der amerikanische Autochiphersteller Wolfspeed unter dem Vorbehalt der Verabschiedung des Chips Act den Bau neuer Halbleiterwerke in Aussicht gestellt. Der taiwanische Auftragshersteller TSMC hat einen Standort wie Dresden fest im Blick. Auch die US-Gruppe GF will ihre Produktionskapazitäten in Sachsen mit einer milliardenschweren Investition weiter ausbauen. Heike Hahn (Grüne), EU-Parlamentarierin und Mitglied des Industrie-Ausschusses, erklärte Mitte der Woche in einer Videokonferenz, dass das Regelwerk im März in die Abstimmung mit der Kommission und dem Europäischen Rat geht. Bis zum Sommer könnte der EU Chips Act dann in Kraft treten, und im Herbst die erste Tranche der jeweiligen Beihilfen fließen. Im vergangenen Jahr haben schon die USA ein Gesetz zur Förderung der Halbleiterindustrie mit 52 Milliarden Dollar verabschiedet. Hier feierte Intel im September im Bundesstaat Ohio den Spatenstich für zwei Chipwerke, in die zunächst 20 Milliarden Dollar investiert werden sollen. Zu dem Anlass kam auch US-Präsident Joe Biden.