SPD, Grüne, FDP: Was die Ampel beim Koalitionsausschuss vereinbart hat
Von Sonntagabend bis Dienstagabend haben die Ampelparteien im Koalitionsausschuss beraten, nun steht ein Maßnahmenpaket. Was wurde vereinbart? Der Überblick – von Schienennetz über Digitalisierung bis hin zu Klimaschutz.
Drei Tage Verhandlungen, gebündelt in 16 Seiten: Die Ampelparteien haben ihre Marathonsitzung des Koalitionsausschusses beendet – und sich auf ein Dokument geeinigt, das den Titel »Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung« trägt.
Bei der ersten Vorstellung der Ergebnisse sparten die Koalitionäre nicht mit Eigenlob. Die Parteichefs Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) traten am Dienstagabend vor die Presse, um über die Beschlüsse zu informieren. Später äußerte sich Kanzler Olaf Scholz auf Twitter: »Es hat sich gelohnt.«
DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war - und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.
Was ist das Ergebnis der Marathonsitzung? Die Übersicht.
Klimaschutz
Das Klimaschutzgesetz soll überarbeitet werden. Es besteht weiterhin das Ziel, bis 2045 eine Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Die Bundesregierung, heißt es in dem Dokument, legt für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativemissionen fest.
Statt zu schauen, ob einzelne Sektoren ihre Ziele erreichen, soll dies künftig mit einer »sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung« überprüft werden. Zwar soll weiterhin für jeden Sektor die Entwicklung überwacht werden, etwa im Hinblick auf den Beitrag zur Gesamtminderung der Emissionsmenge. Doch insgesamt sollen künftig alle Sektoren gemeinsam betrachtet werden.
»Die reine Sektor-Orientierung überwinden wir«, sagte Lindner vor allem mit Blick auf die stockende Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor, den sein Parteifreund Volker Wissing verantwortet. »Wir sorgen dafür, dass sich die Sektoren gegenseitig helfen können.« Das ist eine Abkehr von den bisherigen konkreten Sektorzielen. In dem Papier steht nur, alle Sektoren hätten zu den Maßnahmen für die Minderung beizutragen.
Planungsbeschleunigung
Die Ampel sieht in schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren einen zentralen Beitrag zur Modernisierung des Landes. In dem Papier sind mehrere Punkte genannt:
Verkehr: Es soll eine Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans geben. Insbesondere der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes soll schneller werden. Bei besonders wichtigen Projekten soll eine Maximalfrist von vier Jahren gelten. Es soll deutlich mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert werden. Bei Straßen soll der Fokus auf Erhalt und Sanierung liegen, etwa bei maroden Brücken. Für einige Straßenprojekte – Lindner sprach von 144 Stück – will die Bundesregierung »überragendes öffentliches Interesse« festschreiben. Dadurch sollen Stauschwerpunkte und Engstellen beseitigt werden.
Flächen und schnellere Verfahren für erneuerbare Energien: Kommunen sollen mehr Spielraum bekommen, um Windkraftanlagen an Land zu genehmigen. So sollen sie etwa auch dann Flächen für Windenergie ausweisen können, wenn dies in den regionalen Planungen nicht vorgesehen ist. Auch soll es möglich sein, mit Windkraftanlagen direkt benachbarte Unternehmen mit Strom zu versorgen.
Neben Autobahnen und Bahnstrecken sollen Photovoltaikanlagen gebaut werden: »Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen.«
Für Einrichtungen wie Windkraftanlagen soll es feste Genehmigungsfristen und vereinfachte Prüfverfahren geben.
Naturschutz
Die Ampel konstatiert einen Zielkonflikt zwischen Naturschutz und dem Ausbau von Infrastruktur. Mehrere Maßnahmen sind vorgesehen, um ihm Rechnung zu tragen:
Eingriffe in die Natur sollen künftig auch durch Geldzahlungen kompensiert werden können statt durch die Bereitstellung von Ersatzflächen. Die für Naturschutz vorgesehenen Flächen sollen großräumig zusammengefasst werden.
Im Umweltministerium soll eine Einheit geschaffen werden, die dies organisiert. So soll unter anderem erfasst werden, welche Kompensationsflächen bestehen, welche benötigt werden und welche möglich sind.
Klimaschutz im Verkehr
Die Koalitionäre geben ein äußerst ambitioniertes Ziel vor, es geht vor allem um das Schienennetz, Autoverkehr und ÖPNV:
Die Bahn soll für Investitionen bis 2027 rund 45 Milliarden Euro bekommen, finanziert unter anderem durch einen CO2-Zuschlag auf die Lkw-Maut.
Das bestehende Netz soll digitalisiert werden, um mehr Personen- und Güterverkehr zu ermöglichen.
Bis 2030 soll der Schienengüterverkehr einen Marktanteil von 25 Prozent erreichen.
Das Deutschlandticket soll in die Bahncard 100 integriert werden.
Der ÖPNV – besonders in ländlichen Gebieten – und Radwege sollen ausgebaut werden. Für alternative Antriebe bei Schienenfahrzeugen ist eine Förderung vorgesehen.
Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) sollen verstärkt genutzt werden – in dem Dokument ist die Rede davon, Produktion und Nutzung sollen kurzfristig angereizt werden.
Bei der Lkw-Maut soll ab 2024 ein CO2-Aufschlag von 200 Euro pro Tonne CO2 gelten.
Die Mautgrenze soll ab 2024 bereits für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen gelten
Für öffentliche Fuhrparks sollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge angeschafft werden dürfen.
Um das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zu erreichen, soll die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, etwa durch Schnellladepunkte an Tankstellen oder Ladesäulen an Gebäuden. Der Kauf und die Nutzung CO2-neutraler Fahrzeuge soll gefördert werden, etwa bei Carsharing- sowie kommunalen und gewerblichen Flotten. Tankstellenbetreiber sollen verpflichtet werden, »binnen fünf Jahren mindestens einen Schnellladepunkt pro Tankstelle zu errichten«. Für die Betreiber kleiner Tankstellen werde es aber eine Sonderregelung geben.
Die Kraftstoffbesteuerung soll sich künftig stärker nach deren Umwelt- und Klimawirkung richten.
Ein Ausbau des Glasfaser- und Mobilfunknetzes soll ermöglichen, Arbeitswege durch Homeoffice zu sparen.
Das Straßenverkehrsrecht soll so angepasst werden, dass auch Klima- und Umweltschutzziele berücksichtigt werden.
Energieeffizienz
Die Koalitionäre schreiben, Energie müsse in Zukunft deutlich effizienter eingesetzt werden als bislang. Das verringere den Verbrauch, mache Deutschland unabhängig von fossilen Importen und helfe bei der Minderung der Treibhausgasemissionen. Deshalb soll es ein Energieeffizienzgesetz geben – die konkrete Ausgestaltung bleibt in dem Dokument allerdings sehr vage. Es heißt lediglich, das Gesetz werde »wirksame Maßnahmen zur Zielerreichung unter Minimierung des Bürokratieaufwands für Unternehmen ab einer bestimmten Schwelle beinhalten«
Gebäudeenergie
Dieser Abschnitt fällt im Vergleich zu den anderen sehr kurz aus. Es heißt darin, dass ab 2024 »möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll«. Nach gängiger Lesart schließt das konventionelle Öl- und Gasheizungen aus. Das Gesetz solle vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden.
Allerdings solle ein »technologieoffener Ansatz« verfolgt werden, zudem soll es »ausreichende Übergangszeiträume« geben. Soziale Härten sollen vermieden werden. Details zu einer sozialen Abfederung für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen finden sich in dem Papier nicht. Man wolle prüfen, »wie der ambitioniertere Austausch von Öl- und Gasheizungen« gezielt und bürokratiearm mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziell gefördert werden könne. »Niemand wird im Stich gelassen.«